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Dienstag, 7. Juli 2020

Sehnsuchtsort


Mein Sehnsuchtsort, ist der Ort meiner Kindheit, meine traumhafte Erinnerung an wunderbare Kindertage. Der Ort, in dem ich 9 Jahre unendlich viele Abenteuer erlebte, mit Freunden und Freundinnen spielte und durch die Gegend steifte, schwimmen lernte, eingeschult wurde und vieles mehr erlebte. Es ist der Ort, an dem ich zu Hause war, wo uns Freunde und Verwandte besuchten, Feste gefeiert wurden und von dem aus wir auf Reisen gingen, um zurück zu kommen. Der Ort, an dem mir vorgelesen wurde und an dem ich lesen lernte, der Ort an dem 100 000 tolle Dinge und viele auch zum ersten Mal passierten.

Es ist der Ort, wo ich mich sowohl in der Stadt, als auch in der wundervollen Umgebung einfach nur wohl gefühlt habe.

Mein Sehnsuchtsort ist
Coesfeld

Coesfeld 2019
(Das Walkenbrückentor - ohne geht Coesfeld gar nicht)

Wer den Ort bislang nicht kannte, kennt ihn wohl jetzt, es sei denn, er oder sie liest in Deutschland keine Zeitung oder hört keine Nachrichten.

Coesfeld wurde als einer der ersten Corona-Hotspots im Zusammenhang mit der Fleischindustrie genannt. Schade!

Was für eine trauriger Grund, auf diese Weise bekannt zu werden, denn Coesfeld ist eine tolle, l(i)ebenswerte Stadt, umgeben von wunderschöner hügeliger Münsterländer Landschaft.

Ich bin im Sauerland geboren. 1961, als ich 3 Jahre alt war, zogen meine Eltern mit mir nach Coesfeld, weil mein Vater sich als Maschinenbau-Ingenieur dort beruflich verbessern konnte.
Coesfeld war im Krieg stark zerbombt und Anfang der 60er war immer noch Wohnraum knapp. Ein Glücksfall, dass er eine Wohnung fand.

 Foto 2019
In dieses Haus zogen wir und blieben dort bis Januar 1964.

Das Haus sieht heute noch genauso aus, wie damals. Sogar die Apotheke ist noch da. Allerdings war sie, solange ich in Coesfeld wohnte nur halb so groß, denn jetzt nimmt sie den ganzen Bereich im Erdgeschoss ein. Früher war auf der halben linken Seite eine Eisdiele, "Eis deFanti". Dort habe ich dann 1961 kurz nach unserem Einzug mein allererstes Eis bekommen. 
Meine Mutter hatte immer Angst, es könne zu kalt sein und schaden. So kannte ich davor nur "warmes Eis", das war Sahne in einem Eishörnchen, welches es beim Milchmann gab.

 Foto 2019

Auf der anderen Seite des Hauses ist der Eingang zu den Wohnungen und... heute genau, wie schon 1961 (vielleicht auch früher) das Reformhaus. Dort war meine Mutter, die ja immer schon sehr gesundheitsbewusst war, Kundin. Da das Geschäft direkt an unserer Haustür lag und ich, wie üblich für Kinder meiner Zeit, problemlos auch schon mit 3 Jahren alleine draussen spielen durfte, war es das Geschäft, in dem ich zum ersten mal alleine einkaufen durfte.

Danach habe ich meine Sätze nie mehr mit einem sauerländisch geprägten "Wohh" beendet, sondern sage seit dem "Neh". 
Die Verkäuferin in dem Laden verdächtigte mich nämlich auf Grund meiner sauerländisch/ruhrpottlerischen Sprachfärbung platt zu sprechen. Das wollte ich ja so was von gar nicht und habe von null auf gleich meine Sprache dem münsterländischen angepasst (obwohl dort sehr viel platt gesprochen wird, aber das wusste ich damals noch nicht). Meine Mutter sagt heute noch, obwohl sie nach Coesfeld inzwischen 50 Jahre im Emsland wohnt, statt "nicht wahr", "gelle" oder "Neh" immer noch "Wohh" am Ende ihrer Sätze.

 Foto 2019

Nur ein paar Meter weiter ist die Innenstadt und die Lichtburg war fürher das Kino der Stadt. Das Kino und das Haus, in das wir gezogen waren, gehörten derselben Person.

Coesfeld hatte damals schon für mein Empfinden eine schöne Innenstadt. Durch die Veränderungen der Jahre, u.a. die Innenstadt zur Fussgängerzone zu machen, hat sie noch mehr Flair.

1970 sind wir von dort weggezogen. Es gab und gibt keine Verwandten dort und meine Kinderfreundschaften haben die Entfernung auch nicht lange überlebt. Ein oder zwei Besuche mit meinen Eltern bei deren Freunden dort Anfang der 70er, das war es dann erstmal mit Coesfeld für mich.

Aber ich habe dort so viel erlebt und so viele glückliche Tage verbracht, dass es mich doch irgendwann dorthin trieb.

In den frühen 90ern bin ich dann das erste Mal für ein paar Stunden wieder zurück gekommen, um meinen Kindern den Ort meiner Kindheit zu zeigen.

Die Sehnsucht war nicht ganz gestillt und so habe ich im Sommer 1999 mit Manni dort einige Tage Urlaub gemacht.



Unser Hotel von damals gibt es heute leider nicht mehr. Es lag ungefähr hier und  hatte statt einer Hotelbar eine urige Kneipe. Wir haben uns dort Fahrräder ausgeliehen und ich habe Manni meinen Sehnsuchtsort gezeigt. 
Das Wetter war hoch sommerlich, sprich: es war knalleheiss und wir mit den Fahrädern die "Ossenkopproute" entlang geradelt. Einmal um Coesfeld rum, Schloss Valar noch im Vorbeifahren und dann zum Coesfelder Berg.

Was für herrliche Erinnerungen ich an den Coesfelder Berg habe! Der Wald, der Spielplatz,  die Rodelbahn, Ausflüge mit Freunden und Freundinnen, mit meiner Mutter und natürlich mit meinem Vati, die 3 Linden und natürlich das Gasthaus am Coesfelder Berg.

Und dort haben wir dann auch eine, dringlichst benötigte, Rast gemacht. Bergauf, ja das Müsterland hat tatsächlich ein paar recht beachtlich steile Strassen und Wege, bei Hitze mit dem Fahrrad, das ist für Flachländer schon eine Herausforderung!

Hier ein abfotografiertes Foto von unserem Tisch im Biergarten am Coesfelder Berg.

Wer glaubt, das sei die erste Runde irrt. Die erste Runde ist quasi in uns verdampft. Erst danach war ich in der Lage,ein Foto zu machen.

Wir haben draussen gesessen an einem Tischchen mit einer sauber gestärkten notalgischen Tischdecke. Trotz akurater Sauberkeit konnte man einen ganz schwachen Fleck, der mit Sicherheit schon etlichen Kochwäschen getrotzt hatte, auf der Decke erkennen.
Da die Decke so schön 50er - 60er Retro war, habe ich dann zu Manni scherzend gesagt, dass bestimmt der in meiner Kindheit mal von mir verschüttete Kakao für den Fleck verantwortlich sei. Möglich wär's...

Der kurze Urlaub Ende des letzten Jahrtausends war dann aber nicht das Ende der Sehnsucht.
 

20 Jahre später. vergangen Sommer, im Juli 2019, habe ich mich wieder, diesmal alleine, auf den Weg gemacht, um auf den Spuren meiner Kindheit zu wandeln.

Und wieder war es knalleheiss. Wenn ich nicht schon mein Hotel gebucht hätte, wäre ich sicherlich nicht gefahren.

So habe ich leider auf vieles verzichten müssen, weil es einfach zu heiss war, um lange Wege zu wandern oder Nachbarorte zu besuchen.

Stattdessen habe ich mich vom Hotel zum nächsten Cafe und von dort zum nächsten Bistro und von dort zum nächsten Cafe usw. geschleppt. Statt einer Woche mit evtl. Verlängerung war ich dann doch nur wegen der Hitze 5 Tage dort. Ich habe meine Zeit aber dennoch sehr genossen!


Es gab auch genug zu sehen, so wie hier rechts der neue Park. Zu "meiner" Zeit war da noch eine hohe Mauer und irgendwas Kirchliches dahinter.
Heute ist da ein richtig toller Park, durch den die Berkel fliesst, die man auf grossen Trittsteinen durchqueren kann.
Es finden Veranstaltungen dort statt und als ich dort war, jeden Abend ab 18 Uhr - manche Leute scheinen hitzeresistent - kostenlose Zumba- oder ähnliche Mitmachaktionen. Konnte ich fein beobachten, denn gegüber gibt es inzwischen ein paar nette Kneipen und Bistros, wo ich mich wegen der Hitze abends lange aufgehalten habe, mein lecker Abendbrot zu mir genommen habe und den Tag hab ausklingen lassen.

Richtig gefreut hat mich,dass die Bepflanzung am Rande des Parkes in der Auswahl der Pflanzen der meines Gartens entspricht.

So lange war ich nicht mehr in Coesfeld, aber alles war so vertraut. Damit meine ich jetzt nicht (nur) die Randbepflanzung des neuen Parks. Es war einfach so, als wäre ich erst gestern dort gewesen. Obwohl sich schon einige Ecken verändert hatten, wie z.B. der Bereich des Jungensgymnasiums und der Post...

...und auch diese Strassenkreuzung, die zu meinem früheren Schulweg gehörte und heute viel größer ist, als früher, war doch alles so unglaublich vertraut.
Ich meine, das Geschäft gab es auch schon in den 60ern. Die Strasse war aber früher deutlich schmaler und es war mehr Grün und Platz zwischen Strasse und Promenade. Weiter mittig war damals ein Spielplatz, auf dem ich auch häufig war.


Wenig verändert hat sich dieser Bereich. Geradeaus ist heute ein Antiquitätengeschäft. Dort war früher eine Drogerie, die Drogerie Stock, die die leckersten Weingummis hatten, die ich je gegessen habe.
Hier bin ich oft hergekommen und habe Rollschuhfahren geübt. Ich denke mal, weil es eine der Strassen war, die schon damals kein Kopfsteinpflaster hatten und wo der Verkehr nicht so doll war, dass man einfach auf der Strasse rollern konnte.

Wenn man sich hier umdreht, dann sieht man unverändert...

...das Wäsche- und Sanitätshaus Miehle - genauso, wie in den 60ern.

Etwas weiter dahinter, wo die weisse Wand ist, war damals ein Bäcker, wo wir Kinder nicht nur vorne Süssigkeiten kaufen konnten, sondern hinten an der Bäckereitür auch Kuchenreste. Noch ein paar Meter weiter wohnte meine Freundin Margret.

Aber die paar Meter bin ich dann wegen der Hitze nicht mehr dort hingegangen, sondern zurück zur Innenstadt, wo es eine grössere Dichte an Cafés und Bistros gibt, in denen man bei den Temperaturen besser aufgehoben ist.

An einem meiner Tage dort bin ich fast ganz um die Stadt gelaufen, über die "Promenade", wie die Wallanlage früher genannt wurde. Ob das heute noch so ist, weiss ich nicht, aber das könnte schon so sein. So Bezeichnungen für Orte ändern sch ja nicht so leicht im Sprachgebrauch.

Auch die "Promenade" hat sich nicht viel verändert.

Wer die Stadt selber entdecken will, kann sich, wie die Herren hier ja sein Ränzel schnüren und die Stadt und Landschaft umzu erkunden, denn meine Fotos sind ja nur Erinnerungs-Schnappschüsse. Der Tourismusverein würde bestimmt mit anderen Fotos werben.
 
Ich bin sehr froh, dass ich letztes Jahr dort hin gefahren bin! Ich liebe Coesfeld und meine Erinnerung an die Stadt meiner Kindheit.

In Coesfeld gewesen zu sein und an Coesfeld zu denken macht mich einfach....

HAPPY
 


(Pharrel Williams - Happy - Coesfeld Edition -
Projekt der Stadt Coesfeld und Coesfeld und Partner e.V.)

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